Liebe Kolleginnen und Kollegen
Das Wichtigste vorneweg: Die Grünliberalen werden das vorliegende Postulat zum virtuellen Kantonsrat unterstützen. Selbstverständlich ist auch uns klar, dass ganz unterschiedliche Risiken für das reibungslose Arbeiten eines Parlaments existieren und dass keineswegs allein die nächste Pandemie möglicherweise die grösste Herausforderung am Horizont oder gar vor der Tür ist. Und selbstverständlich sind auch wir, die Grünliberalen, der Auffassung, dass dem persönlichen Austausch vor Ort für die parlamentarische Arbeit eine zentrale Bedeutung zukommt. Und auch wir anerkennen, dass die Beratung komplexer Vorlagen per Videokonferenz auch mal aufreibend sein kann.
Aber – und jetzt kommt’s: Im Jahr 2022 reichen diese Gründe einfach nicht aus, um dem Begehren nach einem digitalen Parlament so tel quel eine Absage zu erteilen. Warum nicht? Erstens: Der reale und der digitale Raum sind nicht einfach zwei unvereinbare Paralleluniversen, sondern Lebens- und Arbeitsbereiche, die immer stärker verschmelzen, ja, verschmelzen müssen – auch in der Politik, auch im Kantonsrat. Zweitens: Vor wenigen Monaten haben wir hier in diesem Rat eine parlamentarische Initiative überwiesen, um die gesetzlichen Grundlagen für digitale Gemeindeparlamente zu schaffen (KR-Nr. 214/2020). Warum? Weil die Gemeinden dies nicht selber tun können, da die gesetzgeberische Kompetenz dafür eben beim Kanton liegt. Bei uns selbst verweigern wir uns nun ein paar Monate später, wollen diese Arbeit nicht erledigen und wollen keine Strategie erstellen, wie wir selbst als Kantonsrat digital funktionieren und arbeiten sollen und können. Das ist dem Parlament des grössten Kantons, der auch der mit Abstand wichtigste Wirtschaftsstandort in der Schweiz ist, nicht würdig. Dies ist ein komplett falsches, aus der Zeit gefallenes Signal, und zwar an die Gemeinden, an andere Kantone und ja, auch an die Wirtschaft. Drittens, wir haben es von Kollega Felix Hoesch bereits gehört: Auch die Bundesebene ist jetzt sogar einmal aktiv geworden und ist auf den Vorstoss der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates eingetreten, der die rechtlichen Grundlagen für virtuelle Sessionen schaffen soll. Man hat also sogar im langsamen Bern auf eidgenössischer Ebene die Zeichen der Zeit erkannt und die Arbeiten lanciert. Es kann nicht sein, dass der Kanton Zürich im Jahr 2022 beim Thema «Digitales Parlament» dermassen im Abseits steht. Bitte unterstützen Sie zusammen mit uns dieses Postulat. Vielen herzlichen Dank.
Zürich, 21. März 2022